Homo Hortulanus
Eines haben alle privaten Gärten gemeinsam: seit den Klostergärten des Mittelalters handelt es sich um abgeschlossene Einheiten, die das irdische Paradies nachbilden und gegen Eindringlinge von außen geschützt werden sollen. Die Soziologin Christina Waldeyer hat anhand von Gartenratgebern aus den jeweiligen Epochen untersucht, wie sich die Vorstellungen dieses Paradieses seit dem Ende des zweiten Weltkrieges verändert haben.
Damals war der Garten in erster Linie ein Lieferant von Nahrung, er rettete viele vor dem Hungertod. Auf Chemikalien konnte kaum verzichtet werden. Das änderte sich in den 50er Jahren. Der Garten wurde zum „Wohngarten“, man ging dazu über, seine Freizeit hier zu verbringen, der gepflegte Rasen war sein Herzstück. Ab Mitte der 70er Jahre stand der naturgemäße Garten im Vordergrund. Er wurde zum politischen Statement, zum Hoffnungsträger für eine friedvollere Welt. Von hier zum familienorientierten Garten war es nur ein kleiner Schritt – nun standen Erziehung und Bildung der Kinder im Vordergrund, als Spiegel einer heilen Familienwelt.
Und heute? Gärtnern wurde zu einer Form der Kunst, in der sich das kreative Potential des Erschaffens spiegelt, fern der Realität eines gärtnerischen Alltags. Alles ist komponiert, nichts darf mehr einfach nur so blühen und gedeihen. Quer durch alle Epochen gibt es aber eine Konstante, mit der das Buch endet: der „homo hortulanus“, der „Mensch als Gärtner“, versteht sich als „überaus zufriedener Mensch“. (UF)
Christina Waldeyer. Homo Hortulanus. Die Sinnzuschreibungen in privaten Hausgartengestaltungen. Springer VS 2016. 39.99 Euro.