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Von Kohlrabi-Aposteln und Tee-Jüngern: die Teeplantage auf dem Monte Verità

Die eigene Teepflanze im Garten und auf dem Balkon ist "in". Immer öfter stammt die „Camellia sinensis“ aus Teeplantagen in Europa. Im schweizerischen Tessin, auf dem Monte Verità hat sich ein regelrechtes Tee-Mekka entwickelt.

Der Monte Verità hat eine berühmte Vergangenheit. Pflanzen spielen darin keine unbedeutende Rolle, wenn auch weniger mondäne Exemplare als die Camellia Sinensis. „Kohlrabi-Apostel“ wurden die ersten naturbewegten Aussteiger um 1900 genannt, die auf dem 300 Meter hohen Hügel, über dem damals noch unbekannten Dorf Ascona, am Tessiner Ufer des Lago Maggiore, eine „vegetabile Kooperative“ gründeten.

Zeitungsausschnitte im Museum des Monte Verità © GartenRadio.fm
Die Mischung aus Selbstversorgung, Sinnsuche und Tanz – und das alles am liebsten unbekleidet - machte die Einheimischen misstrauisch und übte auf Besucher unterschiedlichster Couleur eine gewaltige Anziehungskraft aus. Politiker und Revolutionäre, Schriftsteller und Maler waren fasziniert von intellektuellem Austausch in paradiesischer Kulisse.

Zu schön, um wahr zu sein: der Blick über den Lago Maggiore © GartenRadio.fm
Der Wunsch nach einem Teehaus

Im Jahr 1926 kaufte der Wuppertaler Bankier und Kunstsammler Eduard Freiherr von der Heyd für 160.000 Franken den gesamtem Berg, samt seiner anthroposophisch gestalteten Hütten. Er ließ ein Hotel im Bauhaus-Stil errichten, und schon damals soll er von einem Teehaus geträumt haben. Doch daraus wurde nichts. Erst 40 Jahre nach dem Tod des Freiherrn sollte ein Zürcher Drogist diesen Traum erfüllen.

Die Camellia Sinensis blüht im Winter. Die Blätter werden von Mai bis Oktober geerntet ©  Paolo Zacchera
Teepflanzen auf dem Monte Verità

Der Tee-Anbau in Europa war noch eine ziemlich exotische Angelegenheit, als Peter Oppliger den Entschluss fasste, in der Schweiz mit der Camellia sinensis zu experimentieren. Lange hatte es nur zwei Orte in Europa gegeben, an denen es Teeplantagen gab: auf den Azoren, und ganz am Rand Europas, in Georgien, schon an der Grenze zu Asien.

Teeblätter frisch und einen Tag nach dem Welken © GartenRadio.fm
Peter Oppliger begann mit ein paar wenigen Teepflanzen auf den Brissago-Inseln im Lago Maggiore. Die Kamelien fühlten sich wohl und so bat Oppliger den Baumschul-Betreiber Paolo Zacchera aus dem italienischen Verbania, die Camellia sinensis für ihn zu vermehren. Im Jahr 2005 setzten die beiden dann 1400 Pflanzen auf dem Monte Verità, die sich seitdem prächtig entwickelt haben.

Die noch nicht entwickelte Knopse, und die beiden noch eingerollten Seitenblätter werden für den Tee geerntet © GartenRadio.fm
Die Casa del Tè

Mit der Tee-Plantage und der Casa del Tè, dem Tee-Haus, bekam das Kompetenz-Zentrum für Tee, dass Oppliger sich gewünscht hatte, einen Raum. Der glühende Anhänger des grünen Tees setzte auf Wissensvermittlung und Teekultur und begann damit, regelmäßig ein Tee-Festival zu veranstalten. Er lud japanische Teebauern ein, die zeigten, wie man Teeblätter zu grünem Tee verarbeitet, und bat Ulrich Haas, den wohl renommiertesten Teelehrer Deutschlands, die komplexe Kunst der Tee-Zeremonie zu vermitteln.

Temonis Toshihiro Hirayanagi, Kyoko Nishiyama und Übersetzerin Sugako Steinemann © GartenRadio.fm
Das Konzept funktioniert bis heute, auch drei Jahre nachdem Oppliger sich zur Ruhe gesetzt hat. Denn die Berner Tee-Familie Lange, die die Casa del Tè übernommen hat, führt sie im Sinne von Peter Oppliger weiter.  Das heisst, das  ganze Jahr über kann man auf dem Monte Verità Tee kaufen, Tee trinken und an Tee-Zeremonien teilnehmen. Und einmal im Jahr, in der Regel im Mai, wird das Tee-Festival veranstaltet.

Teelehrer Ulrich Haas bei der Teezeremonie in der Casa del Tè (rechts im Bild die Yvonne Dellamare von der Casa de Te) © GartenRadio.fm
It's Tea-Time

Mittlerweile gibt es über ein dutzend Teeplantagen in Europa, die die Camellia Sinensis anbauen.  In Cornwall und Schottland, in den Niederlanden und in Portugal. Sogar im   Bergischen Land bei Köln wird  schon seit 20 Jahren Tee angebaut. Und immer mehr Gärtnereien führen Teepflanzen für den heimischen Einsatz auf dem Balkon und im Garten.

Der grüne Tee vom Monte Verita © GartenRadio.fm
Der Monte Verità und seine neue "vegetabile Kooperative"

Auf dem Monte Verità hat sich in gewisser Weise wieder eine „vegetabile Kooperative“ gegründet. Eine Gemeinschaft, in denen sich Profi- und Hobby-Teeanbauer und Teeverarbeiter austauschen: die Teehändler Katrin und Gerhard Lange aus Bern, die die Plantage und die Casa del Tè betreiben; Tobias und Corinne Denzler, Freunde der Langes, die die Leitung übernommen haben; die japanischen Teebauern, die gerne ihre Kunst zeigen.

Jedes Blatt soll nach 5 - 6 Stunden Rollen so spitz wie eine Nadel sein © GartenRadio.fm
Paolo Zacchera ist gerade dabei, eine Plantage mit 30.000 Teepflanzen anzulegen;  Ulrich Joss, ein Teeliebhaber, erprobt gerade, aus den 200 Teepflanzen im eigenen Garten schwarzen Tee herzustellen, Ulrich Haas, der nicht müde wird, die kleinste Handbewegung beim Rühren des Tees zu erklären, und nicht zu vergessen das engagierte Fachpersonal in der Casa del Te, das nicht nur den Tee, sondern auch seine Geschichten kennt. Man könnte fast sagen, aus Kohlrabi-Aposteln von einst, sind Tee-Jünger von heute geworden.  

So empfieht Paolo Zacchera die Teeherstellung zu Hause © GartenRadio.fm
Wie man Teepflanzen anbaut, welchen Boden sie mögen, was die Kunst bei der Teeverarbeitung ist, was man aus Teepflanzen alles machen kann, und warum es sich lohnt, den Monte Verità mit oder ohne Tee-Festival zu besuchen – hören Sie in der Sendung.


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