Eine Beere namens Mieze
Mieze Schindler gilt als aromatischste Erdbeere, die man anpflanzen kann. Trotzdem wäre sie beinahe aus den Gärten verschwunden.
Die Geschichte von Mieze Schindler beginnt 1925. Ein Jahrgang starker Damen, so scheint es. In England erblickte Margaret Thatcher das Licht der der Welt, in Berlin wurde Hildegard Knef geboren und in Dresden-Pillnitz streckte Mieze Schindler das erstemal Blätter und Blüten in die Sonne.
Der Direktor der Pillnitzer Lehranstalt für Pflanzenzüchtung, Professor Otto Schindler hatte sie gezüchtet. Ihren Namen soll sie der Gattin des Professors verdanken.
Die Aroma-Sensation
Mieze Schindler war nicht nur schön. Ihre dunkelroten, kleinen Früchte verfügten über so derart intensives Aroma, dass sie Begeisterungsstürme auslösten und sie zur Grande Dame im Beet avancierte.
Der Stern der Grande Dame im Erdbeerbeet sinkt
Doch in den 50iger wandelte sich der Anspruch an Erdbeeren. Größer sollten die Früchte sein und länger halten. Andere Sorten eroberten die Gärten. Senga Sengana setzte sich durch. Bis heute macht die Sorte mit 60 Prozent den Löwenanteil im Beet und auf dem Balkon aus.
Mieze Schindler begnügte sich mit einem Nischendasein in ostdeutschen Kleingärten. Erst nach der Wende nahmen auch einige wenige Erdbeerzüchter in den alten Bundesländern die „Aroma-Erdbeere“ wieder in ihr Programm auf.
Ein Schwabe entdeckt die Sächsin wieder
Einer davon war Reinhold Hummel in Stuttgart. Ein Kunde aus Ostdeutschland hatte ihm im Jahr 1989, gleich nach dem Fall der Mauer, eine Pflanze mitgebracht.
Sicherlich kein Zufall, denn Reinhold Hummel war eine Größe in der Erdbeerbranche. Schon öfter hatte er einen „Riecher“ für Erdbeeren bewiesen. In den Fünfziger Jahren hatte er die Klettererdbeere erfunden. Eine Sensation. Kleingartenmagazine und sogar der Spiegel berichteten über die Erdbeere, für man sich nicht mehr bücken muss.
Später erfand er mit seiner Tochter Sonja ein neues Vermehrungsverfahren für Erdbeeren, mit dessen Hilfe man gezielter und schneller züchten kann. Dafür baute er in den 1970iger Jahren seine Garage zu einem der ersten Meristemlabore in Deutschland aus. Heute ist diese sogenannte „Meristemvermehrung“ Standard.
Reinhold Hummel war ein Erdbeerverrückter, dem das Aroma am Herzen lag. Wie kompliziert es ist, aromatische Erdbeeren zu züchten, wird in der Forschung noch heute erst langsam klar.
Das Epizentrum der Erdbeerforschung
Erst seit wenigen Jahren weiß man, dass das Erdbeeraroma aus rund 1000 verschiedenen Stoffen besteht. Das Aroma der Kirsche dagegen nur aus 40. Dr. Detlef Ulrich vom Julius Kühn Institut in Quedlinburg, dem Epizentrum der Erdbeerforschung, ist dem Erdbeer-Aroma schon seit fast 25 Jahren auf der Spur und freut sich, dass es, jenseits geschmacksneutraler Supermarktware, noch einige wenige Erdbeerzüchter wie Reinhold Hummel gibt, die sich um das Erdbeeraroma bemühen.
Mieze Schindler und die „Neue Mieze“
Reinhold Hummel ist zwar schon 1988 gestorben aber seine Hummi-Beeren gelten immer noch als „Aroma-Bank“. Rund 15 verschiedene Sorten sind im Programm und tragen so schöne Namen wie Herzle, weiße Waldfee oder Praline.
Lothar Schatz, der heute die Geschicke der Erdbeerfirma lenkt, fühlt sich der Hummelschen Aroma-Tradition verpflichtet. Auch wenn er mit der Zeit gehen muss. Heute sind eher Pflanzen für den Balkon gefragt. Die Zeiten, als Gärtner noch 40 bis 50 Pflanzen, fein säuberlich in Reihen, ins heimische Beet pflanzten, sind so gut wie vorbei.
Außerdem ist der Erdbeerzuchtbetrieb, der immer eigenständig arbeitete, eine Partnerschaft mit dem Unternehmen Helix-Pflanzen eingegangen, das sich unter anderem um den Vertrieb kümmert. So können sich Lothar Schatz und sein Team sich dem widmen, was sie am besten können – aromatische Erdbeeren züchten.
Und in diesem Jahr, pünktlich zum 70. Firmenjubiläum, ist sogar eine „neue Mieze“ dazugekommen. Mit welchen Damen ihres Jahrgangs sie einmal verglichen werden wird, bleibt abzuwarten.
Was das Aroma der Mieze Schindler so besonders macht, warum es eine neue Mieze braucht, wie das Aroma überhaupt in die Erdbeere kommt, und was der Gärtner dafür tun kann, damit die Pflanze das Aroma auch entfalten kann – hören Sie in der Sendung.
Tipp: Wer in Stuttgart wohnt, oder dort zu Gast ist, sollte sich die Old Bridge Gelateria in der Bolzstrasse nicht entgehen lassen. Je nach Saison gibt es dort Mieze Schindler Eis für Genießer.
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