Tulpenrausch und Zwiebelwahn
Hinter den Kulissen des größten "Tulpen-Schaufensters" der Welt. Unterwegs im Keukenhof im niederländischen Lisse.
Der Keukenhof ist der wohl berühmteste Küchengarten der Welt. Denn Keukenhof bedeutet nichts anderes als Küchengarten. Den Namen hat er von seiner ursprünglichen Nutzung. Im 15. Jahrhundert gehörte das Gelände, südlich von Amsterdam, zum Schloss der Gräfin Jakoba von Beieren. Kohl, Lauch und Bohnen gehörten zur damaligen Grundausstattung im Gemüseanbau.
Als die Gräfin mit nur 35 Jahren an Tuberkulose starb, hatte sie vier Ehe hinter sich, einige Kriege angezettelt und sich kurzfristig sogar nach England ins Exil zurückziehen müssen. Nach ihrem Tod ging der Keukenhof in die Hände reicher Kaufmannfamilien über. Im 17. Jahrhundert ließen die neuen Eigentümer den Sand der Dünen abgraben und verpachteten das neue Land an Blumenzwiebelzüchter.
Das Schloss gibt es heute noch, aber aus dem Küchengarten ist mittlerweile ein 32 Hektar großer Park geworden. Da wächst nichts mehr, was im Kochtopf verschwindet. Heute wird repräsentiert: Narzissen, Hyazinthen, Krokusse und vor allem Tulpen werden bewundert.
Im Keukenhof zeigen die niederländischen Blumenzwiebelzüchter, was sie sich in Sachen Form und Farbe immer wieder Neues einfallen lassen: Papageientulpen mit fedrigen Blätterrändern, mehrfarbige Blüten, die ihre Blätter elegant aufrollen oder Tulpen, die aussehen wie eine Kugel Erdbeereis mit weißer Sahnehaube.
Elegante Blüte mit wilder Vergangenheit
So spektakulär wie manche Blüte, ist auch die Geschichte der Tulpe. Im 17. Jahrhundert war sie einmal so wertvoll, dass man ein ganzes Grachtenhaus für eine einzige Zwiebel bekam. Aber die Tulpenblase platze und ließ viele Spekulanten verarmt zurück.
Heute haben die Züchter in den Niederlanden die Tulpe längst wieder zum wirtschaftlichen Erfolgsmodell ausgebaut. Zwei Milliarden Tulpen sollen in diesem Jahr den Weg in Gärten und auf Balkone in aller Welt finden. 80 Prozent der Zwiebeln werden exportiert. Die meisten davon, nach Deutschland.
Der Keukenhof ist sozusagen der „Catwalk“ der Tulpenbranche. Mit dem Unterschied, dass die „Models“ bewegungslos verharren und der Betrachter selbst zum Flaneur wird. 15 km weit kann er durch das Gelände, das einem englischen Landschaftspark nachempfunden ist, spazieren.
Man kann stundenlang an streng geometrisch gestalteten Mosaiken, an kunterbunt durcheinander gepflanzten Beeten oder an verwilderten Narzissenwiesen vorbeischlendern. Im historischen Garten und in den Ausstellungshallen wird der Besucher in die Anfangszeit der „Tulpomania“ zurückversetzt, als die Tulpenzwiebeln mit Gold aufgewogen wurden.
Die Idee, ein Schaufenster für das Blumenzwiebelgewerbe einzurichten, hatte im Jahr 1949 der damalige Bürgermeister von Lisse. Zehn Zwiebelzüchter zeigten Interesse. Heute braucht ein Züchter nicht nur gute Tulpenzwiebeln, sondern auch Glück, um einen Platz im Keukenhof ergattern. Denn für ein Fünftel der rund 500 Tulpenzüchter stehen Schauflächen zur Verfügung.
Acht Wochen Farbenrausch
Nur acht Wochen - zwischen Ende März und Ende Mai – dauert die Blütenpracht im Keukenhof. In dieser Zeit herrscht Ausnahmezustand. Eine Million Besucher aus aller Herren Länder wollen die Blüten bewundern. Eine gewaltige Aufgabe für Planer und Gärtner.
Schon im März des Vorjahres fängt Chef-Gartendesigner Martin Elling damit an, die Beetformen und Blumenkombinationen zu planen. Ab September beginnen die Vorarbeiten für die nächste Saison. Dann haben auch die Gärtner Hochsaison. Acht Wochen lang schneiden sie Verblühtes ab, pflanzen Neues nach und sammeln ein, was die Besucher tagtäglich so liegen lassen. 35 Gärtner arbeiten täglich daran, dass die Blumenschau ohne Makel über die Bühne geht.
"Streifzug" durch die Umgebung
Aber auch die Umgebung rund um den Keukenhof hat „Showpotential“. Der Park liegt mitten im Bollenstreek, im Anbaugebiet der Zwiebelzüchter. In pittoresken Streifen wachsen Tulpen, Hyazinthen, Narzissen und Krokusse in rot und gelb, in lachs und lila und verwandeln die Landschaft in einen geometrischen Farbenrausch.
Und wer gerne das machen möchte, was im Keukenhof strengstes verboten ist – nämlich Blumen pflücken – der sollte in Annemiekes Pflückgarten vorbeischauen, dem ersten biologisch arbeitenden Tulpenhof. Der Garten liegt 8 Kilometer nördlich von Lisse in Hillegom. Bei Annemieke de Haan kann man sich nicht nur Tulpensorten ansehen, die es mit jedem Gemälde aufnehmen können, man lernt auch, wie man eine Tulpe richtig pflückt, denn das ist gar nicht so einfach.
Wer es nicht nach Hillegom zum Selberpflücken schafft, kann sich ihre Bio-Tulpen auch auf dem Biomarkt in Amsterdam und in Haarlem ansehen.
Wie es hinter den Kulissen zugeht, was man im Keukenhof - dem einstigen Küchengarten - unter Lasagnetechnik versteht, warum Keukenhof-Gärtner oft auf Zehenspitzen gehen, wie man eine Tulpe richtig pflückt und was so ein Besucherstrom ganz praktisch bedeuten kann - hören Sie in der Sendung.
Öffnungszeiten Keukenhof
Öffnungszeiten Annemiekes Pflückgarten
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