Von Moosen, Menschen und Wabi Sabi
Moose können jahrelang im Ruhezustand verbringen, wachsen in Polargebieten und Wüsten, und sind doch keine unverwüstlichen "Überallgedeiher". Wie faszinierend es sein kann, ihre Eigenheiten zu studieren, zeigt ein kleiner, aber einzigartiger Moosgarten in Berlin-Dahlem.
Schade, dass an diesem kalten Wintermorgen im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem so viel Schnee liegt, sonst könnte man mehr von den rund 40 Moosen sehen, die dort auf Steinen, in Schuhen, auf einem Fahrradreifen, zwischen Pflastersteinen, auf einer alten Fußmatte oder auf einem Hirschgeweih wachsen.
Eine Ansammlung von vergessenen Alltagsgegenständen, die irgendwann von Moosen entdeckt und mit neuem Leben gefüllt wurden. Und da es gar nicht leicht ist, Moose gezielt anzusiedeln, wurden aus den Fundstücken aus der Gegend um Berlin Objekte der Wissenschaft in Europas erstem wissenschaftlichem Moosgarten.
Europas erster wissenschaftlicher Moosgarten
Es ist nicht üblich, sich mit Moosen als Gartenpflanzen zu beschäftigen. Sie sind zu anspruchsvoll. Entweder sie wachsen, oder sie wachsen nicht. Meistens wachsen sie nicht, wenn Luftfeuchtigkeit, Licht und Schatten nicht stimmen. Das hat auch Cora Schaumann feststellen müssen, als sie, gemeinsam mit den Mitarbeitern des Botanischen Gartens, diesen einzigartigen Moosgarten anlegte, den es seit gut 10 Jahren gibt.
Die ehemalige Richterin hatte anfangs nicht viel Ahnung von Moosen. Denn die Moosforscherin in der Familie war ihre Tochter Friederike. Die eigenartige Pflanzenart hatte es der jungen Biologin angetan. Diese kleinen, grünen Pflanzen, die meistens auf dem Land und manchmal im Wasser wachsen, die keine Blüten und Früchte, keine richtigen Blätter und Wurzeln haben.
Sie hatte die Gabe auf das Kleine zu achten."
"Sie hatte die Gabe auf das Kleine zu achten, das oft übersehen wird,“ schreibt Cora Schaumann in einer Festschrift zum 10jährigen Jubiläum des Gartens im Herbst letzten Jahres. Über tausend Moosarten hatte ihre Tochter gesammelt, fotografiert, untersucht und bestimmt, bevor sie im Jahr 2004 mit erst 30 Jahren unerwartet an einem Hirntumor starb.
Damals gründete Cora Schaumann die Friederike-Schaumann-Stiftung, überzeugte Albert-Dieter Stevens, den Leiter des Botanischen Gartens, von ihrer Idee, einen Moosgarten anzulegen, gewann Berater und Mitstreiter. Seitdem kümmert sie sich auch ganz praktisch um den Garten. Zweimal pro Woche kommt sie in der Regel vorbei. Sie hält wuchernde Moose im Zaum, verschafft den zaghaft wachsenden Arten Platz, kontrolliert die Netze über den Beeten, die Vögel und Nager davon abhalten sollen, in den Moosen nach Insekten oder Nistmaterial zu suchen, und die Soden damit zu zerstören.
Moose zu bekämpfen ist genauso schwer, wie Moose anzusiedeln
Vor allem unterhält sie sich gerne mit den Besuchern des Gartens, animiert sie, sich am Lupenautomaten, den sie hat aufstellen lassen, eine Lupe zu leihen, um in vierfacher Vergrößerung die Schönheit und Vielfalt der Moose zu entdecken - die Glöckchen und Sporenkapseln, die mal fedrigen, mal fleischigen Formen. Und hin und wieder freut sie sich, wenn sie verdutzten Rasenliebhabern erklären kann, dass gerade das Vertikutieren des Rasens – ein Verfahren, mit dem man Moos eindämmen möchte – ein regelrechtes Moos-Zuchtprogramm ist. Denn aus jedem einzelnen, kleinen Bruchstück, kann wieder eine neue Moospflanze wachsen.
Im Garten wirken Moose durch Fläche
Moosliebhaber haben es dagegen schwer, gezielt Moose im Garten anzusiedeln, denn es sind anspruchsvolle Pflanzen, sie fühlen sich nicht überall wohl. Vor allem die Luftfeuchtigkeit muss stimmen.
Außerdem wirken Moose vor allem, wenn sie flächig wachsen dürfen, meint Moosforscher und Landschaftsplaner Martin Hellbach. Er hat seine Doktorarbeit über „Moose in der Landschaftsgestaltung“ geschrieben. Dafür hat er unter anderem im Moosgarten in Dahlem geforscht und wurde dabei von der Friederike-Schaumann-Stiftung unterstützt.
Moose können „passiv“ im Garten gefördert werden, sagt Hellbach. Bei einer passiven Begrünung werden bereits leicht vermooste Stellen im Garten von sämtlichen konkurrierenden Gräsern und Kräutern befreit, um den Moosen Raum zur Ausbreitung zu geben. Berühmte Beispiele für diese Methode sind die Moosgärten des Saiho-ji und des Gio-ji in Kyoto. Auch in Europa sind zwei Gärten bekannt, in denen auf diese Weise ein Moosteppich angelegt wurde: die Japanischen Gärten in Wassenaar (Niederlande) und Ferch (Deutschland).
Für normale Hausgärten sind sie zwar weniger geeignet, meint der Landschaftsplaner, trotzdem ist er davon überzeugt, dass Moose eine Zukunft als Kulturpflanzen haben. Für vertikale Gärten und grüne Wände sind sie eine Idealbesetzung, denn sie können direkt auf Stein wachsen.
Wie man Moose im eigenen Garten unterstützen kann, was man mit Cora Schaumann im Moosgarten in Dahlem entdecken kann, und was es mit Wabi Sabi auf sich hat, hören Sie in der Sendung.
* Titelbild: Fettglänzendes Ohn-Nervmoos, fotografiert von Friederike Schaumann.
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