Klobalisierung im Kleingarten
Wir düngen unsere Böden mit Phosphor, dem universellen Baustein für alles, was lebt. Aber schon in wenigen Jahrzehnten werden die Phosphorvorkommen erschöpft sein. Ausgerechnet Kleingärtner könnten mit Hilfe von Humus-Toiletten Trendsetter in Sachen „Klobalisierung“ werden.
Seit der Einführung des Wasserklosetts durch die Engländer, Anfang des 19. Jahrhunderts, können wir das Thema „Beseitigung von Ausscheidungen“ ausblenden. Eigentlich! Doch, was die Engländer damals nicht wissen konnten: wir spülen wertvolle Nährstoffe wie Phosphor, Kalium oder Stickstoff einfach den Abfluss hinunter. Sie sind dadurch für die Nahrungskette verloren. Ein teurer Spaß, bedenkt man, dass wir dabei auch noch wertvolles Trinkwasser verschwenden - rund Dreißig Liter pro Tag und Mensch ist der durchschnittliche Verbrauch.
Andererseits gibt es immer mehr Lebensmodelle, die ohne Kanalisation auskommen und ökologisch verträgliche Toiletten favorisieren. Tiny-House, also Minihaus-Bewohner, Bauwagen-Besitzer, Wohnmobil-Fahrer, Waldkindergarten-Betreiber, Festival-Veranstalter und vor allem Kleingärtner.
Wasserspülung per Gesetz verboten
Laut Bundeskleingartengesetz sind Kleingärten abwasserfrei zu bewirtschaften. Fäkalien allerdings werden erst dann zum Abwasser, wenn ihnen Wasser beigemischt wird, wie es bei einer Toilette mit Wasserspülung der Fall ist. Sickergruben sind auch nicht zulässig, weil Fäkalien und Keime nicht ins Grundwasser gelangen sollen. Die Alternative sind Trockentoiletten.
Chemietoilette versus Streu- oder Trenntoilette
Die Alternativen zum Wasserklosett sind Trockentoiletten. Auch ein Chemieklo gehört dazu. Im besten Falle eines, das mit umweltfreundlichen Mitteln betrieben werden kann. Aber egal, ob man zur harten Chemiekeule, oder zur umweltfreunlicheren Variante greift, Chemieklos haben einige Nachteile. Sie muffeln häufig, müssen zu einer Abkippstelle transportiert werden und dann wird ihr Inhalt – und damit Phosphor, Kalium und Stickstoff als Abwasser weggespült.
Eimer, Bausatz, Luxusklo
Wer sich eine Bio-Trockentoilette-Toilette wünscht, merkt allerdings schnell., das Angebot ist so groß, wie die Preispanne. „Zwischen 80 und 800 Euro kosten die gängigsten Modelle, die ich hier verkaufe“ sagt die Diplom Ingenieurin Ulrike Sachse, die in ihrem Laden Wasserkontor in Berlin alles verkauft, was mit Wasserqualität und Wassersparen zu tun hat. Dazu gehört ein weitgefächertes Sortiment von Trockentoiletten.
Für 80 Euro gibt es den Eimer mit Aufsatz, für 800 Euro das „Schwiegermutter-taugliche“ Modell, lacht sie. Bei diesem Luxusmodel schwingt ein beweglicher Deckel erst zur Seite, wenn man sich auf die Brille setzt, und erspart so den Blick in den Plumps-Eimer.
Es gibt Modelle aus Kunststoff, die wie Toiletten aussehen, holzgefertigte Kästen, Kindersitze als Aufsatz, oder für den Winterbetrieb die Brille aus Styropor, an der man auch bei knackigen Minustemperaturen nicht festfriert.
Streu- versus Trenntoilette
Der größte Unterschied zwischen den Modellen ist allerdings weniger das Aussehen, sondern die Frage: wird getrennt oder nicht, und zwar zwischen Urin und Fäces, wie der Fachmann feste Ausscheidungen nennt.
Die Trenntoilette
Bei den Trenntoiletten wird durch einen Einsatz automatisch getrennt. Der Urin wird durch einen Schlauch in einen Kanister abgeführt. Feststoffe werden in einem Eimer gesammelt. Nach dem Stuhlgang wird Rindenmulch darüber gestreut, fertig. Wer Strom im Garten hat, kann ein Modell mit einem Lüfter wählen, der dafür sorgt, dass eventuelle Gase direkt abgesaugt werden.
Vorteil – Man braucht weniger Streu, weil weniger Flüssigkeit aufgesaugt werden muss. Der Eimer muss seltener geleert werden.
Die Streutoilette
Bei der Streutoilette wird alles zusammen in einem Behälter gesammelt. Wie bei der Trenntoilette, kann man kompostierbare Beutel verwenden. Der Eimer sollte häufiger geleert werden, also nach jedem Wochenende im Kleingarten, damit nichts anfängt, zu riechen.
Die Streu
Mittlerweile kann man Kompost-Toiletten-Streu kaufen, also besonders feinen Rindenmulch. „Wenn man den in die Hand nimmt“ sagt Ulrike Sachse, bleibt die Hand trocken. „nimmt man normalen Rindenmulch aus dem Baumarkt, bleiben oft Rückstände kleben, weil er zu feucht ist. Um eine Trockentoilette geruchsfrei zu betreiben, muss die Feuchtigkeit aber vollständig aufgesaugt werden. Für Anfänger empfiehlt sie, zu Spezial-Streu zu greifen, und erst später mit Sägespänen und normalem Mulch zu experimentieren.
Das Entsorgen
Der Urin-Tank einer Trenn-Toilette sollte nicht zu spät entleert werden, denn Urin sollte im Verhältnis 1:8 mit Wasser verdünnt werden, bevor man ihn unter Hecken oder auf dem Rasen ausgießen kann, da darf der Tank nicht so voll sein.
Die Feststoffe aus dem Eimer der Streu- oder Trenntoilette gehören auf den Kompost. Am besten in einen extra Thermokomposter, der viel Wärme entwickelt. Dazu hebt man den Eimer mit den Feststoffen aus der Toilette heraus. Wer die Tüte aus dem Eimer hebt, riskiert, dass sie reißt. Dann den Eimer inklusive Beutel auf den Kompost kippen und die Tüte abziehen. „Es gibt Kunden", erzählt Ulrike Sachse, "die machen einen Knoten in die Tüte, damit alles schön verpackt ist, dabei sollte alles locker verteilt werden und die Tüte kommt dann in die Mitte."
Und das soll gesund sein?
Die eigenen Ausscheidungen im Garten, womöglich auf Gurken und Kartoffeln? Was ist mit Medikamenten, die wir einnehmen? Blutdrucksenker und Hormone, und wie bedenklich sind Krankheitskeime? Bei diesen Fragen beschleicht den Laien doch ein mulmiges Gefühl. Und in der Tat ist das eine von vielen Fragen mit denen sich Wissenschaftler aus der ganzen Welt unter anderem auf regelmäßig stattfindenden „Dry-Toilet-Conferences“ in Finnland beschäftigen.
„Eigendünger“ auf Gemüse?
Auch Stefan Deegener, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Abwasserwirtschaft und Gewässerschutz an der Technischen Universität Hamburg, hat an einer solchen Konferenz teilgenommen und kann beruhigen. Urin ist in der Regel steril – jedenfalls so lange keine Harnwegsinfektion besteht. Krankheitskeime oder Medikamenten-Reste in Fäces können in einem Thermokomposter abgebaut werden.
Wie und in welchem Masse genau, darüber ist sich die Wissenschaft noch nicht ganz sicher. Sicher aber ist, der Abbau im Thermokomposter funktioniert besser als im Abwasser.
Wer seine Hinterlassenschaften mindestens ein Jahr kompostiert, und sie dann nicht direkt auf Obst oder Gemüse leert, braucht sich keine Sorgen zu machen, meint der Wissenschaftler. Im Gegenteil, dadurch werden dem Boden wertvolle Nährstoffe zugeführt.
Klobalisierung in den Kinderschuhen
Noch sind die die eigenen Ausscheidungen ein „anrüchiges“ Thema für viele, aber ein Umdenken würde sich lohnen. Allein in den Ausscheidungen aller Deutschen stecken jährlich rund zweihunderttausend Tonnen Phosphor. Schätzungsweise ein Fünftel davon, ließe sich zurückgewinnen.
Man muss ja nicht gleich so weit gehen wie der Künstler und Umweltschützer Friedensreich Hundertwasser der schon 1979 ein Pamphlet mit dem Titel “Heilige Scheiße“ veröffentlicht hat, in dem er dafür plädiert, dass jeder statt einem Wasserklosett im Badezimmer, ein Humusklo im eigenen Wohnzimmer haben sollte. So weit würde der Landschaftsplaner Wolfgang Hoffmann zwar nicht gehen. Aber auch er arbeitet seit 10 Jahren schon für mehr Klobalisierung im Kleingarten - und zwar in Witzenhausen, bei Göttingen, als größter Importeur von skandinavischen Komposttoiletten.
Die Skandinavier machen es vor. Mit ihren endlosen einsamen Wäldern und verstreut lebenden Menschen, ohne den Zugang zu Kanalisation, haben sie früh gelernt, Trockentoiletten zu benutzen. Clivus Multrum gilt als das erste moderne Bio-Klo. Der gleichnamige Hersteller ist, wie die Firma Separett, ein schwedisches Unternehmen. Aus Finnland stammen die Biolan-Toiletten. „Am Anfang war man im ehemaligen Osten aufgeschlossener für Trockentoiletten.“ erzählt sich Wolfgang Hoffmann. "Mittlerweile ziehen die anderen Regionen nach. Immer mehr Menschen kennen jemanden, der nicht gestorben ist, weil er eine Trockentoilette benutzt hat“, lacht er.
Wie man das richtige Modell findet, wieviel Überwindung es kostet, sich ganz konkret mit den eigenen Ausscheidungen zu befassen, und ob Kleingärtner Trendsetter in Sachen Klobalisierung werden könnten. Diesen Fragen sind wir nicht nur theoretisch nachgegangen, wir haben auch selbst einen Trocken-Toiletten-Test gemacht - das Ergebnis hören Sie in der Sendung.
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